Pressemitteilung vom 05.07.2023:
Ethikkommission für Berufe in der Pflege regt Berücksichtigung der Pflegefachpersonen bei der gesetzlichen Regelung zum assistierten Suizid an.
Am Donnerstag, dem 6. Juli 2023, will der Deutsche Bundestag über eine gesetzliche Regelung der Suizidbeihilfe entscheiden. Der Deutsche Bundestag reagiert damit auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, welches das Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe 2020 für verfassungswidrig erklärt hatte.
Aus fraktionsübergreifenden Gruppen passierten zwei Gesetzesentwürfe den Rechtsausschuss und liegen morgen zur Abstimmung vor.
Die Ethikkommission für Berufe in der Pflege – Niedersachsen begrüßt, dass sich der Bundestag mit der gesetzlichen Regelung aktiv auseinandersetzt, regt für die der Beschlussfindung vorausgehende Diskussion jedoch an, dass in beiden Gesetzesentwürfen die Rolle von Pflegefachpersonen bei einer Suizidbeihilfe stärker bedacht werden sollte.
Wie aus repräsentativen Studien bekannt ist, sind es überwiegend Pflegefachpersonen, die mit dem Todeswunsch von Patient:innen, Bewohner:innen und Klient:innen zuerst konfrontiert sind und dies häufig auch in größerem Ausmaß als andere Berufsgruppen. Im Rahmen der primären Kommunikation, Beratung und Netzwerkarbeit wird eine Pflegefachperson intensiv in der Begleitung während der Suizidassistenz sowie in der Begleitung der Angehörigen nach erfolgter Suizidassistenz eingebunden. „Pflegende müssen ihre Rechte und Pflichten in diesem Bereich kennen, um im Einklang mit dem pflegerischen Ethos professionell und verantwortlich handeln zu können“, gibt Henrikje Stanze, Mitglied der Ethikkommission und Professorin für Pflegewissenschaften mit Schwerpunkt Palliative Care an der Hochschule Bremen, zu bedenken.
Die Ethikkommission für Berufe in der Pflege – Niedersachsen möchte vor der endgültigen Beschlussfassung anregen, die Pflegefachberufe aktiv in eine gesetzliche Regelung des assistierten Suizid einzubinden, ihre tragende Rolle in diesem Bereich gesetzlich zu bestätigen und den Berufsstand damit zu schützen. Pflegerische Hilfe wird beim assistierten Suizid noch zu wenig thematisiert und die damit verbundenen ethischen Herausforderungen vor dem Hintergrund des professionellen Pflegeethos zu selten in den Blick genommen.
Es sollte unter anderem geregelt werden, ob – analog zur Verabreichung von Opiaten – die Gabe eines den Tod herbeiführenden Medikaments im Rahmen der Suizidbeihilfe von Ärzt:innen an Pflegefachpersonen delegiert werden darf. Die Relevanz einer solchen Klarstellung wird durch internationale Studien unterstrichen, die belegen, dass eine solche Delegation in der Praxis tatsächlich stattfindet.
Die Ethikkommission für Berufe in der Pflege möchte zudem anregen, den Fokus in besonderem Maße auf eine gesetzlich geregelte Suizidprävention, vor allem mit Blick auf psychisch erkrankte Personen, betagte und hochbetagte Menschen, zu richten.
Die Ethikkommission für Berufe in der Pflege wurde zum 1. Januar 2023 vom Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung ins Leben gerufen. Diese Kommission ist die erste ihrer Art in Deutschland. Die interprofessionell, mit 17 Mitgliedern besetzte Ethikkommission soll Angehörige der Pflegefachberufe und deren Organisationen durch Empfehlung und Beratung in der täglichen Praxis Orientierung geben und bei ethischen Entscheidungen unterstützen.
WEITERE INFORMATIONEN
Ethikkommission für Berufe in der Pflege
Kommissionsleitung: Lutz Schütze, Prof. Dr. Sabine Wöhlke
Geschäftsstelle: Dr. Katharina Beier, Telefon 0551 / 39-35345
Humboldtallee 36, 37073 Göttingen